WMR100 – Prost!

Wer hätte gedacht, dass wir es jemals bis zur hundertsten Sendung schaffen würden? Ich jedenfalls nicht, sonst hätte ich die Sendung von vornherein dreistellig durchnummeriert. Dank Tim konnten wir in unsere alte Wirkstätte die Metaebene zurückkehren und schwelgen in Erinnerungen- sowohl den tollen über die nicht so tollen bis hin zu den peinlichen.

Anschließend diskutieren wir noch ein wenig die düstere Gegenwart.

Also, auf die nächsten 900 Sendungen!

12 Gedanken zu „WMR100 – Prost!

  1. Kleine Vorbemerkung: Dieser Post ist nicht ausgewogen, ich habe nicht die gesamte Sendung gehört und kenne entsprechen auch nicht alle Argumente, die ihr nach 1:59:57 noch austauschen werdet. Und es spricht auch ein wenig Wein aus dem was ich schreibe.
    Ich würde aus einem kurzen Impuls heraus trotzdem gerne kurz argumentieren, warum ich eure (bis hier gehörten) angebrachten Argumente zu Pegida, den Sorgenbürgern und so weiter Teile. Die Schere zwischen medialem Diskurs und dem was man im normalen Leben mitbekommt ist immens. Ich glaube nicht, dass wir auch nur im gerinsten überfordert sind, demografisch betrachtet ist es sogar ein Glücksfall für Deutschland, egal wie zynisch das auch klingen mag. Entsprechend dämlich sind politische Konzepte wie die Verhinderung des Familiennachzugs – Huhu liebe Union, wir überaltern massiv, die Sozialsysteme sind in wenigen Dekaden ohne massive Einwanderung nicht mehr zu finanzieren, selbstgemachter Fachkräftemangel… Die Argumente sind massiv.
    Trotzdem habe ich aktuell aus unterschiedlichen Gründen Angst.
    1. Ich wohne aktuell in Dortmund, hier wohnt eine Keimzelle der Nazistrukturen in diesem Land, sitzt im Stadtrat und hält die Antifa auf Trab. In meiner Nachbarschaft sind 2 „Gemeinschaftsunterkünfte“ für „Asylbewerber“, ich kann da nicht vorbeigehen ohne mich nach verdächtigen Nazis umzuschauen. Zum Glück ist mein Stadtteil sozial sehr divers und hat keine Nazis in der Bezirksversammlung.
    2. Wenn die Rechten die Oberhand gewinnen, stehe ich als Homosexueller als einer der Ersten an der Wand.
    3. Europa wird immer massiver politisch verkackt. Es hat sich seit vielen Jahren eingespielt, alle unangenehmen Entscheidungen von der nationalen auf die europäische Ebene zu schieben, was national gefordert wird, wird auf der europäischen Ebene hinter verschlossenen Türen verhindert. Gleichzeitig wachsen um uns herum „eurokritische Strömungen“, über die massiv berichtet wird. Wenn einmal links und eher europafreundlich gewählt wird wird entweder nicht berichtet (Spanien…) oder verteufelt (Griechenland), jede Kritik am Status Quo ist ein Angriff auf die EU, so lange er konstruktiv ist. Das Fatale: Die jungen Menschen, also die zukünftigen Generationen, finden Europa nach allen Umfragen die ich kenne großartig – die Alten sehnen sich nach den Nationalen Souveränitäten zurück.
    4. Der mediale Diskurs ist unfassbar reaktionär und konservativ. Man wagt es kaum, die Leitartikel in der FAZ oder WELT noch aufzublättern. Gefühlt sind alle Leitartikler konservative Männer aus elitären und reaktionären Kontexten, die den Untergang des Abendlandes herschreiben und diese Merkel loswerden wollen, wo sie ein einziges Mal in ihrer politischen Laufbahn Haltung zeigt. Die Nachrichtenangebote der öffentlich-rechtlichen Medien sind kaum noch zu ertragen, der Deutschlandfunk empfindet es als journalistisches Handwerk neutral mit Begriffen wie „Gutmenschen“ in Interviews umzugehen. Das mag nicht die Meinung der Bevölkerung widerspiegeln, ist aber im politischen Feld ungemein wirkmächtig.
    5. Ich habe soeben Merkel verteidigt.
    6. Die SPD fällt in der GroKo komplett aus, es ist fast noch schlimmer als unter Schröder. Gabriel redet bisweilen Pegida nach dem Mund, fällt bei jeder Asylrechtsverschärfung stilgetreu nach wenigen Tagen um und erbittet sich die Beinfreiheit, für die ein Steinbrück noch verlacht wurde. Aus der Partei ist kaum Widerspruch zu hören. Gleichzeitig kommt immer häufiger das Gefühl auf, dass die Opposition in der aktuellen GroKo-Stimmenmehrheit so schwach ist, dass jede Hemmschwelle bei der Regierung abfällt. Die CSU spielt schon gleich Opposition in der Regierung. Und dann noch eine Sahra Wagenknecht als Fraktionsspitze der Linken…

    Zusammenfassend: Es ist alles ungeheuer komplex, vieles interagiert mit vielem Anderen, es gibt viele Argumente auszutauschen und zu debattieren. Gleichzeitig wird jeder, der eine Differenzierung einfordert, als Gutmensch tituliert, der die Debatte zerfasern oder davon ablenken möchte. Gegen den einseitig gegen Flüchtlinge hetzenden Rassisten wird der Strohmann des Gutbürgers aufgebaut, der jeden Flüchtling als heiligen stilisiert und sich nicht vorstellen kann, dass darunter auch Kriminelle sein könnten – weil Menschen eben bisweilen Arschlöcher sind. (Ich kenne übrigens niemanden, der sowas dämliches sagen würde) Wer andererseits Menschen, die in Diskursen wiederholt durch rassistische Argumentationen auffallen als eben solche betitelt, ist dann sofort selbst Rassist weil er Menschen nur wegen ihrer Meinungsäusserungen in eine politische Kategorie steckt. Wer sie auf Twitter blockiert, weil er den Haufen Scheisse der dort bisweilen breitgetreten wird, redet sich die Welt schön und ist gegen die Meinungsfreiheit, quasi Meinungsfaschist.

    Bleibt die Frage, wie das mit dem Diskurs in Zukunft funktionieren soll. Ich finde, Podcasts sind ein wunderbares Medium dazu, denn man kann sich mit diversen Weltsichten konfrontieren. Anne Will und co sind das Gegenteil davon, vielmehr die Zuspitzung der Zuspitzung, angeheizt durch überzugespitzte Sendungstitel, die selbst gerne mal hetzend sind – Natürlich nur ironisch gemeint, um Zuschauer zu ziehen.

    Ich verbleibe fassungs- und forderungslos.

    • Aber das praktische an Leuten, die man auf Twitter geblockt hat ist ja, dass man eben nicht mehr mitbekommt, was sie vor sich hin brabbeln.

      Ich verstehe diese Ängste ja und ein Stück weit teile ich sie auch. Aber ich glaube dennoch, dass die Ängste zur Zeit auch übertrieben sind (hoffe ich). Es gibt nach wie vor ein sehr großen Teil der deutschen Bevölkerung der bereit ist sich den Herausforderungen durch die Flüchtlingsmigration positiv zu stellen. Man sollte sich nicht zu schnell geschlagen geben von diesen paar Schreihälsen. Die AfD wird bei den nächsten Wahlen beeindruckende (und angsteinflößende) Zustimmungswerte erhalten. Aber insgesamt gesehen werden sie weiterhin eine relativ kleine Minderheit bleiben, denen man ihren Platz im politischen Diskurs aufzeigen sollte: irgendwo versteckt in der letzten Reihe der Parlamente.

  2. Ich finde ja, dass das mit dem „ihr werdet euch noch wünschen…“ auf die rechten Bewegungen von heute nicht zutrifft. Meiner Meinung nach sind deren Wähler nach wie vor politikverdrossen – und genau das macht diese selbsternannten Antipolitiker wie Trump, Le Pen, Wilders oder Höcke so beliebt. Deren Diskurs ist nicht, andere Politik machen zu wollen, sondern die eingebildeten Eliten von ihren Fleischtöpfen zu verjagen – genau das, was Politikverdrossene hören wollen. So schaffen es selbst ein als Milliardär geborener wie Trump oder ein Professor wie Lucke (allerdings nicht lange), sich zu Sprachrohren der einfachen Leute aufzuspielen.

  3. Bezüglich der Wahrnehmbarkeit von Flüchtlingen bzw der Anzahl der Flüchtlinge: Ich wohne in Chemnitz. Hier sind die Flüchtlinge definitiv und überall sichtbar. Nicht nur, weil vorher der Ausländeranteil recht niedrig war, sondern auch, weil sie nicht so wenige im Vergleich zu der Restbevölkerung sind.

    • In Chemnitz war ich nicht, klar. Aber mir ging es auch mehr um den Eindruck, den man bekommen muss, wenn man den Diskurs verfolgt (Deutschland steht kurz vorm Abgrund) vs. Realität (eigentlich hat sich nicht irre viel geändert und alles läuft nach wie vor wie am Schnürchen.)

      • Was mich an der Situation viel mehr nervt ist:

        1.) Gesamtsituation
        Vor Begin der Flüchtlingswelle war kaum Geld da um:
        – Kindergarten/-hort Plätze zu schaffen (Infrastruktur + Personal)
        – neuer Lehrer einzustellen um kleinere Lerngruppen in Schulen zu ermöglichen
        – generell Schulen besser auszustatten
        – bezahlbarer Wohnraum in Großstätten
        – Modelle um Alleinerziehenden Familien zu unterstützen

        Plötzlich zwei Jahre in der „Krise“ hat man Millarden für
        – Flüchtlingsunterkünfte
        – Sprechkurse
        – Ausbildung von Flüchlingen
        – Psychologische Betreuung
        und das _angeblich_ ohne das wir Einschränkungen erleben.

        2.) Persöhnliche Probleme
        Klare Botschaften der Politik wie man das Thema angehen möchte. Ein „wir schaffen das“ ist da zu wenig.
        Weiterhin verstehe ich nicht warum Flüchtlinge und Einwanderungswillige immer vermengt werden.

        – Flüchtlinge sind Menschen die Schutz suchen/brauchen und hier solange sind wie diese Tatsache anhält.

        – Einwanderungswillige sind sowas wie du Max (nur umgekehrt)
        Bei der zweiten Gruppe kann und darf die Bundes Republikanische Gesellschaft ansprüche an die Personen stellen (Einwanderungsgesetz?/GreenCard Modelle usw.)

  4. Hallo – mit einiger Verspätung habe ich Folge 100 gehört, und dass Ihr sagt, man würde Flüchtlinge im täglichen Leben nicht begegnen, ist totaler Unsinn. Noch schlimmer, dass sie gar versteckt würden… In unserer Gemeinde (10000 Einwohner) sind die aktuell 150 Flüchtlinge im Strassenbild allgegenwärtig. Das ist nicht schlimm und führt hier auch zu einer recht guten Integration. Vielleicht solltet Ihr mal mehr auf die Starße gehen und die Augen aufmachen, bevor ihr Statements abgebt.

    • Danke für diesen extrem konstruktiven Hinweis. Als Menschen die noch nie auf der Straße waren und/oder noch nie die Augen geöffnet hatten sollten wir uns das natürlich zu Herzen nehmen.

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