WMR139 – Mit Atomkraft gegen das Urheberrecht!

Endlich schien mal die Sonne in Berlin und deswegen flohen wir in die dunklen Gewölbe des Von-Webel-Anwesens um einen Podcast aufzunehmen. Viel Erfolg beim lauschen!

 

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18 Gedanken zu „WMR139 – Mit Atomkraft gegen das Urheberrecht!

  1. Das Mastodon-Äquivalent für Video ist http://joinpeertube.org/de/. DTube ist so richtig P2P dezentral (jeder User/Client redet mit allen anderen), während PeerTube föderiert wie Mastodon ist (jede:r User:in hredet nur mit der eigenen Instanz, die kommunizieren untereinander).

    Bzgl. Dropbox: Du solltest dir natürlich trotzdem unbedingt mal NextCloud ansehen, aber laut Art.13 (37a) [1] sind Dienste wie Dropbox von Art.13 ausgenommen:

    „The definition does not include services which have another main purpose than enabling users to upload and share a large amount of copyright protected content with the purpose of obtaining profit from this activity. These include, for instance, […] cloud services, which allow users to upload content for their own use, such as cyberlockers“

    Wie die sharing Funktion dann allerdings von Gerichten bewertet werden wird, kann ich nicht beurteilen.

    [1] https://juliareda.eu/wp-content/uploads/2019/02/Art_13_unofficial.pdf

  2. Ich lebe in einer kleinen Großstadt und mache im Grunde alles digital.
    Alles was ich bezahle bezahle ich via Apple Pay (Früher SEQR, seit 4 Jahren). Vom Brötchen bis zum Cappuccino. Ich besitze kein Auto, ich buche mein Car/Bike/eRoller -Sharing digital via Smartphone. Falls ich doch mal mit einem geliehen Auto unterwegs bin, touche ich mir am Smartphone einen Parkschein herbei. Wenn ich ins Kino gehe, buche ich das Ticket online und erspare mir das anstehen am Kino Eingang. Theater funktioniert ebenso. Wenn ich ein Paket oder einen Brief verschicke, frankiere ich den online. Bei Paketen brauch ich nicht mal etwas drucken. Das Etikett druckt direkt der nette Hermes Mensch im Kiosk mit seinem Hermes-Gerät. Mein Energieversorger bietet mit eine Weboberläche zum Eintragen sämtlicher Zählerstände, selbst die meisten Behördengänge lassen sich Digital erledigen. Meine Krankenkasse bietet eine App mit der ich sämtliche Belege abfotografieren und einreichen kann. Die originalen interessieren niemanden.
    Mein Arbeitgeber (Großkonzern) ist unfassbar weit was Digitalisierung angeht. Sämtliche Fabriken sind durch digitalisiert, Produktionsprozesse optimieren sich selbst. Das ist wohl das was die Leute als AI bezeichnen. Passiert hier seit ca 5 Jahren. Alles ist hoch effizient, am Band findest du keine Leute mehr. Alles digital.

    Ich könnte endlos so weiter schreiben. Max, nur weil du es nicht wahr nimmst, heißt das nicht, das es nicht statt findet. Deutschland ist tatsächlich sogar ganz weit vorne. Gerade Siemens und Bosch sind gute Beispiele. Das spiegelt sich allerdings selten in den mainstream Medien wieder. Es lassen sich einfach bessere Förderungen herausholen, wenn man als Firma permanent über die Bedingungen jammert.

    • Naaaaja. Da sind meine Erfahrungen schon sehr andere. Kartenzahlung unterstützt kaum ein Geschäft, gefühlt unter 50%, Apple Pay noch mal weniger und auch die dann nur wenn man einen Mindestbetrag hat. Und ich kenne kein Geschäft bei dem Kartenzahlung das „Default“ ist, also man einfach direkt per Karte bezahlen kann ohne das man es ansagen müsste und danach noch irgendein Prozess ausgelöst werden müsste. In Restaurants ist Kartenzahlung prinzipiell immer ein Drama.

      GEZ Anmeldung geht nur per Post, Unser Stromanbieter hat kein System wo man sich einloggen könnte, Krankenkassenbelege kann ich auch Abfotografieren, was aber nicht nötig wäre wenn diese digital wären und nicht vollanalog. Deine Zählerstände bräuchtest du nicht eintippen, wenn dein Zähler vernetzt wäre und in Berlin kann man Behördengänge nie digital machen, die größte Errungenschaft ist hier, dass man sich online einen Termin buchen kann.

      Die per App gebuchten Car Sharing Autos haben dann keine Telefonhalterung und bei Drive Now werde ich jedes mal beim Einsteigen darauf hingewiesen, dass ich den Dienst doch auch ohne App nutzen könne – vermutlich wollen sie davon wegkommen.

      Taxis kann man zwar inzwischen per App bestellen, muss dann aber noch ganz analog ansagen wo man hinfahren will und analog bezahlen, erfahren wie viel es kosten wird tut man auch erst danach.

      Mitten in Berlin habe ich mit der Telekom oft nur Edge und ich hatte Glück einen DSL Anschluss mit mehr als 16 MBit/s zu bekommen, was hier aber nach wie vor als „Breitband“ gilt. Fernsehen ist ausschließlich auf lineare Verbreitung ausgerichtet, Mediatheken sind bestenfalls ein Nachgedanke.

      Ich sage ja nicht, dass es gar keine Digitalisierung geben würde. Aber es ist schon auffällig, wie viele Prozesse in Deutschland komplett analog sind und wie spät die meisten Firmen hier dran sind. Das Deutschland weit vorne sei wage ich massiv zu Bezweifeln.

      • Womöglich bist du in Sachen Kartenzahlung tatsächlich etwas „USA-verwöhnt“, wo das Bargeld allerdings auch ein fundamentales Problem hat: es ist so banal zu fälschen, dass kaum jemand Scheine größer 20$ annehmen will, weil jeder implizit davon ausgeht, dass die gefälscht sind. Dieses Problem gab es in Deutschland nie.

        Aber fangen wir von vorne an. In meinem persönlichen Alltag spielt Kartenzahlung eine zentrale Rolle, quasi alle größeren Beträge bezahle ich unbar, häufig inzwischen auch per Apple Pay (geht in meinem Fall wirklich in ausnahmslos jedem Laden, wo Kartenzahlung prinzipiell funktioniert). Klar, ein paar der Imbisse die ich mittags frequentiere bieten nur Barzahlung, aber so what – ich hab immer etwas Bargeld dabei, das gehört für mich genauso dazu wie die Finanzen mit mehreren Konten und Kreditkarten für mich vorteilhaft zu organisieren. Und zwar ausnahmslos alles online – von Depotverwaltung und Trading über Umsatztracking aller Konten zusammengeführt via HBCI in einer App bis zu Überweisungen. Auch die letzte Kontoeröffnung vor etwa einem Jahr verlief vollständig online, mit Identifikation via Videochat.

        Die Stromrechnung kommt online und wird vom Konto automatisch eingezogen; Zählerstände muss ich keine übermitteln, aber ich kann mich online einloggen und die der Rechnung zugrundegelegten Zählerstände checken. Ebensowenig muss ich Heizkostenableser in die Wohnung lassen, das fragen die einmal im Jahr via Funk ab, kontrollieren kann ich das, was die da ablesen, an den physikalischen Geräten.

        Briefmarken klebte ich auch schon lange nicht mehr auf Briefe, erstens weil das meiste via Mail oder zumindest Fax geht (das digital verschickt wird), und zweitens weil Online-Frankierung meiner Erfahrung nach wunderbar funktioniert. Selbiges gilt für Pakete, die ich dann zu jeder beliebigen Zeit in der Packstation abgebe.

        Einer meiner letzter Behördengänge war eine Auto-Anmeldung, die in der Rekordzeit von 2 Minuten abgeschlossen war – Termin und Kennzeichen vorher online vereinbart, physikalische Anwesenheit nur noch erforderlich, um die Kleber aufs Schild pappen zu lassen und den Fahrzeugbrief entgegenzunehmen. Bezahlt hab ich per Karte am Automaten, während parallel von der netten Dame meine Schilder fertig gemacht wurden. Ich muss allerdings gestehen: mein Auto hat keine Rückfahrkameras, sondern nur Park-Piepsensoren. Was allerdings Rückfahrkameras, die in vielen Fällen vollkommen analoge Technik sind, jetzt mit Digitalisierung zu tun haben, musst du mir sowieso nochmal irgendwie schlüssig erklären.

        Ich arbeite in einer mittelständischen IT-Entwicklungs-Bude, da ist natürlich branchentypisch relativ viel digital. Home-Office gehört für mich zum Arbeitsalltag dazu, ist auch technisch kein Problem mit 250/40MBit zuhause (down ist okay, up hätte ich gern noch etwas mehr…) und recht flexiblen Workflows, die Video- und Telefonkonferenzen ebenso wie Instant Messaging via Mattermost beinhalten.

        Privat telefoniere ich nur noch äußerst selten, das Meiste wird per Threema- und WhatsApp-Messaging geklärt. Meine Freundin und ich pflegen gemeinsame Termine in einem gesharedten Kalender via Smartphone, der Haushalt wird mit Online-Einkaufslisten und separatem Haushaltskonto organisiert. Rezepte ziehen wir uns auf ein fest installiertes Tablet in der Küche, das nur dem Zweck dient, ein Online-Kochbuch zu sein, und während dem Kochen schmeißt man sich nebenbei ne Podcast-Folge, ein Youtube-Video, Musik von Spotify oder irgendwas von Netflix auf den Küchen-Fernseher. Nen normalen Fernsehanschluss haben wir seit 5 Jahren nicht mehr – der Content kommt entweder via Stream oder liegt auf dem Heimserver, wo ich als Heimkino-Enthusiast allein schon deswegen eine primär von BluRays gefüllte Bibliothek pflege, weil die Streaming-Qualität von Netflix und Co. echt nich mehr so doll ist, wenn man sich das Ganze per Beamer auf großer Leinwand anschaut.

        Taxis ordere ich per MyTaxi, die wissen aus der Bestellung in aller Regel auch schon, wo ich hin will, und bezahlt werden sie darüber auch, das macht es mir einfacher, die Kosten später bei der Firma einzureichen (Taxis sind bei mir meistens beruflich bedingt). Trinkgeld geb ich trotzdem gerne separat in bar, irgendwie hat das was Persönlicheres als das auch noch unbar zu bezahlen, und das erhalte ich mir gern. Selbiges gilt bei Kartenzahlungen in Kneipen und Restaurants (wobei ich gerade in Kneipen auch manchmal, selbst wenn es elektronisch gehen würde, gern komplett bar bezahle, einfach weil ich gern Betrag sowie Trinkgeld gleichzeitig in bar zahle, vor allem wenn man schöne runde Beträge machen kann).

        Steuern hab ich noch vergessen – die Steuer reiche ich seit…keine Ahnung, eigentlich schon ewig, 15 Jahre oder so…rein digital ein, inklusive digitaler Signatur. Ich habe nie Papier-Steuererklärungen gemacht. Die paar Mal, die das Finanzamt später noch irgendwelche Belege in Papierform hat haben wollen, kann ich an einer Hand abzählen. Inzwischen nutze ich die vorausgefüllte Steuererklärung, ruf also erst mal alles digital ab, was der Staat eh schon weiß, und fülle dann den Rest auf, bevor alles digital signiert ans Finanzamt geht. Eine Zeit lang hatte ich ein Gewerbe mit Umsatzsteuerpflicht, da war elektronische Umsatzsteuervoranmeldung und Gewerbesteuerabgabe nicht nur völlig alltäglich, sondern sogar vorgeschrieben – es geht gar nicht mehr mit Papier. Und zwar schon lange nicht mehr. Der Steuerbescheid kommt dann auch digital – er kommt zwar auch nochmal analog hinterher, aber da ist nix Neues mehr drin. Nichtsdestotrotz jage ich den analogen auch nochmal genau wie einfach jedes andere Papierdokument, das ich bekomme (sind nicht mehr so viele, wobei ich neulich auch Vater geworden bin, das erzeugt gerade wieder ein bisschen mehr Papierkram als ich es zuvor gewöhnt war, vermutlich kennst du das 😉 ), durch den Dokumentenscanner, von dem aus vollautomatisch ein indizierbares PDF via OCR erzeugt wird, das dann in meiner digitalen Dokumentenablage liegt.

        Ich könnte wie der Herr Taschenbier zuvor jetzt ebenfalls endlos hier weiter machen…Digitalisierung noch und nöcher, und das trotz dem ach so digital-feindlichen Umfeld in Deutschland. Ich glaube in der Tat auch, dass du jetzt durch die Zeit in den USA einen etwas verzerrten Blick auf die ganze Thematik hast, und zwar verzerrt in Richtung „Digitalisierung = hipper Consumer-Shit von Silicon-Valley-Startups“. Nicht jegliche Digitalisierung kommt aber derartig grell und auffällig daher – es gibt enorm viel davon in deutlich unscheinbarerer Form, und das GERADE in Deutschland, die wir so allgemein gesprochen in Sachen greller Präsentation eher nicht so gut sind, aber eben durchaus solide Infrastruktur hinstellen können (Ausnahmen bestätigen die Regel). Einer der echten Vorreiter, was Digitalisierung in Amtsprozessen angeht, war z.B. gerade oben genanntes Finanzamt – da kräht nur kein Hahn danach, weil’s eben keine fancy App dazu gibt und keinen Milliarden-Exit.

        • Okay, ich versuche es noch mal: ich habe nicht gesagt, dass in Deutschland nichts digital gemacht wird. Aber: es wird sehr, sehr viel analog gemacht.

          Beispiel: Krankenkassenanmeldung. Ich konnte ein Formular online ausfüllen, dann bekam ich per Briefpost das gleiche Formular mit mehr Fragen um es noch mal auszufüllen. Das konnte ich dann scannen und ihnen wiederum per Mail zuschicken, die Antwort kam dann aber wieder per Post. Digitalisierung bei ca. 15% stecken geblieben. (Und das war die TK, bei der mir alle gesagt haben ich solle die nehmen, weil die nicht so furchtbar analog seien.)

          Anderes Beispiel: GEZ Anmeldung. Kann man online machen und dann kommt ein Brief wo man seine Kontonummer eintragen muss, weil sowas geht ja nicht online. Wiederum: Digitalisierung bei ca. 20% hängen geblieben.

          Noch ein Beispiel: Anmeldung unseres Kindes: wir waren beim Bürgeramt um uns anzumelden, die Sachbearbeiterin kam drauf dass wir ja noch das Kind anmelden müssen, wenn wir die Geburtsurkunde dabei hätten könnten wir das auch sofort machen. „Kein Problem“ sage ich und fange an auf dem Telefon durch Dropbox zu scrollen. Ging dann natürlich nicht, weil sie die Geburtsurkunde „im Original“ braucht. Zufaxen wäre natürlich gegangen, also wieder rein analoger Prozess.

          Und dass das Finanzamt deine Steuererklärung gnädigerweise digital entgegen nimmt ist keine großartige Errungenschaft sondern absolut normal: ich sage nicht, dass Deutschland da extrem spät war, aber auf keinen Fall ein Vorreiter. Was meinst du denn, wie die Leute in anderen Ländern ihre Steuererklärungen machen?

          In 4 Jahren USA habe ich nie irgendwas per Post verschicken oder Faxen müssen, außer um mit deutschen Firmen und Behörden zu kommunizieren.

          Schon allein die Tatsache, dass hier alles schon aus rein rechtlichen Gründen entweder per Post oder Fax geschickt werden muss verhindert das irgendwer vernünftige digitale Prozesse aufsetzen kann, selbst wenn sie wollen.

          (Rückwertsfahrkameras sind natürlich digital. Warum sollte man sowas analog machen?)

          Was ist denn diese digitale „solide Infrastruktur“ die du in Deutschland ausmachst? Wo gibt es hier irgendwas was nicht hinter dem Stand der Dinge in den meisten anderen Ländern ist?

          • Zum Thema „Papierkram wegen Kind“: nein, kenne ich tatsächlich nicht. Das einzige was da analog kam war die Social Security Number und der Pass, ansonsten hatte ich da alles digital. Ich hab jahrelang alles immer nur vom Telefon aus der Dropbox gezeigt und hier geht das plötzlich oft nicht mehr, full stop. Neulich war ich dabei als eine Kassiererin sich weigerte die Rabatmarkenkarte einer Kundin von Display abzuscanen, mit der Begründung sie müsse diese Ausdrucken. Hier braucht man immer wieder was im „Original“, was in der Praxis eigentlich immer nur bedeutet: ausgedruckt.

            Anekdotisch: hier berichtet ein Blog darüber, das bei Kaufland jetzt Pfandflaschenbons auch digital gehen. Die Kommentare! https://www.facebook.com/supermarktblog/posts/2736338126382337

          • Mit „solide“ meine ich nicht Dienste, die möglichst viel oder möglichst weitreichend digitalisieren oder möglichst schnell verfügbar sind. Sondern solche, die nicht direkt wieder mißbraucht werden oder anderweitig zusammenklappen.

            Beispielsweise sind meines Wissens dem Finanzamt in Deutschland noch keine Steuerdaten en masse per Datenleck „abhanden gekommen“, ebenso wenig der größten Wirtschaftsauskunftei, obwohl beide seit langem Online-Schnittstellen haben. Die oft gescholtene deutsche Sonderlösung „EC-Karte“ hatte nie auch nur ansatzweise die Betrugsraten, die die USA noch in diesem Jahrhundert dank des Festhaltens am Magnetstreifen auf Kreditkarten zum Mekka für Kreditkartenbetrug machten.

            Phreaking (kostenloses Telefonieren durch Simulation von Netzsignalisierungstönen) war in Deutschland schlicht nie möglich, während es in vielen anderen Ländern Volkssport war – man kam hier einfach nicht auf die Schnapsidee, Signalisierung ohne Authentifikation über denselben Kanal wie die Nutzerdatenübertragung zu betreiben, sondern hat das gleich richtig aufgesetzt, mit out-of-band-Signalisierung.

            Überhaupt, Telekommunikation…ich weiß, es ist hip, auf der Telekom rumzuhacken, aber man muss zumindest zugeben, dass sie in Sachen IPv6-Implementierung (viel digital-infra-strukturiger als das wird es wohl nicht) einen ziemlich guten Job gemacht haben. Es hat nicht mal so allzu lang gedauert, die Implementierung ist robust und standardkonform, und der breite Rollout hat Deutschland in Sachen IPv6-Durchdringung ziemlich weit nach vorne geschoben (vor nahezu alle anderen europäischen Länder, laut Google auch vor die USA, wobei andere Statistiken das genau umgedreht sehen).

            Schelte für die LKW-Maut war auch eine ganze Weile lang sehr modern, und in der Tat war ja auch das ein Beispiel für ein digitales System, das etwas länger gedauert hat, bis es fertig und bereit war. Als es aber in Betrieb ging, wurde es recht bald still darum – bei Infrastruktur ist das immer ein ziemlich gutes Zeichen, das heißt nämlich, dass sie höchstwahrscheinlich ohne Murren ihren Job tut. Und während diverse Länder um Deutschland herum ihre (LKW-)Maut noch per Kleber auf der Windschutzscheibe regeln (Österreich hat gerade vor einem Jahr erst eine digitale Vignette eingeführt, wow!), findet das hier nun seit zig Jahren komplett digital statt.

            Rückfahrkameras an KFZ waren Jahrzehnte lang analog (sofern man denn eine hatte – war schon etwas Exklusiveres als heute). Die gibt es ja nicht erst, seit Digitalkameras so billig geworden sind und sowieso ein volldigitales Infotainment-System verbaut ist, so dass es heute günstiger ist, das in digital zu integrieren.

            Und zuletzt noch wegen Kind und Papierkram: du hast also die Geburtsurkunde, von der du ja sprachst, vom zuständigen Amt in den USA schon direkt in digitaler Form in deine Dropbox gestellt bekommen?

            Oh, und btw: ja, das mit dem Fax klingt so nach analog, aber man kann dieses kleine Loophole mit der Gleichsetzung von Fax und Papier auch zu seinem Vorteil nutzen, um in einem volldigitalen Workflow zu bleiben. Ich kann von meinem Smartphone aus jedes Dokument, das ich digital vorliegen habe (da ich alle mir in Papierform übergebenen Dokumente scanne, heißt das effektiv: alle), in ein bis zwei Minuten per Fax an egal wen versenden. Und da mein Gegenüber in den meisten Fällen auch kein Fax mehr rumstehen hat, das Papier ausspuckt, sondern ein Fax-Gateway, das ihm die Dinger direkt in seine digitale Dokumentenverwaltung zustellt, haben wir somit einen volldigitalen Workflow. Das geht sogar, während man gerade auf nem Amt rumsitzt 😉 einfach das Gegenüber nach der Faxnummer fragen, das Ding versenden und den etwas verdutzten Blick genießen.

          • Okay, Toll Collect: ging 2005 in Betrieb, war technisch sehr kompliziert, man könnte sagen over engineered. Andere Länder hatten zu dem Zeitpunkt schon lange simplere Systeme. In Kalifornien zum Beispiel Toll Collect, das schon seit 1995 in Betrieb ist. So weit ich weiß ist Toll Collect bis heute einfach nur unfassbar teuer. Ich erinnere mich, dass damals der hohe Preis auch damit gerechtfertigt wurde, das danach die ganze Welt das tolle deutsche System lizensieren würde, passiert ist das offensichtlich nicht. 2017 kam es übrigens zu einer Hausdurchsuchung bei Toll Collect wegen verdacht auf Betrugsversuch. So richtig Ruhig wurde es darum also nicht.

            IPv6: hatte ich bei Comcast auch, ging problemlos. Das Telkos den aktuellen IP Stack unterstützen sollte ja eigentlich selbstverständlich sein.

            Und zu deinem Fax-Hack: ja, netter Hack. Aber eben genau das: ein Hack, um das analoge System auszuhebeln. Das Dokumente nur analog und nicht digital angenommen werden ist so normal, dass du einen Workaround gebaut hast, für den du irgendwo ein Fax-Gateway einrichten musstest, nur um die zu zwingen doch noch irgendwie dein Dokument anzunehmen. Wie gesagt: in vielen anderen Ländern ist dieser Schritt überflüssig, weil die Leute im Amt da eine Email Adresse haben wo jeder ohne besondere Kenntnisse einfach was hinmailen kann.

            Ach so: wegen dem Magnetstreifen an der Kreditkarte. Die haben vor ein paar Jahren angefangen das Chip-System auch in den USA einzuführen. Die Kunden und Geschäfte sind ausgerastet. Und zwar absolut zu recht. Chipkarten sind dramatisch langsamer, und die Sicherheit kommt nur dadurch zustande, dass die Verantwortung auf den Kunden abgewälzt wird: wehe irgendwer schafft es deinen PIN-Code zu sehen während du einkaufst, dann warst du an allem Schuld! Ich würde stark vermuten, dass das Chip System durch seine Langsamkeit eher teurer ist als der unsichere aber schnellere Magnetstreifen, nur das eben nicht die Banken die Kosten tragen müssen, sondern die Geschäfte und Kunden.

            Die Deutschen lieben es irgendwann zu spät anzukommen und dann der ganzen Welt zu zeigen wie man es richtig macht, nur um sich dann hoffnungslos zu verrennen. De-Mail ist so ein Beispiel: anstatt ein paar Mailserver aufzustellen wird lieber ein komplett neuer Standard aus dem Boden gestampft, der angeblich voll viel besser ist aber dann sang- und klanglos gegen die Wand fährt. Und dann kann man eben auch im Jahr 2019 keine Email an eine Behörde schicken.

          • Leute haben auch hierzulande im Amt in den allermeisten Fällen eine eMail-Adresse, und ich habe auch schon öfter via ganz normaler eMail mit Menschen in Behörden kommuniziert. Es endet lediglich immer bei der Übertragung rechtsverbindlicher Dokumente (zugegeben, leider, wegen des Rohrkrepierers De-Mail), wofür der Fax-Hack dann ein adäquater Workaround ist. Klar, besser wär’s wenn man ihn nicht bräuchte, aber immer noch besser, als ihn gar nicht zu haben. Und ich bleibe dabei: das ist im Endeffekt ein volldigitaler Prozess, nur halt nicht so, wie du ihn dir wünschst.

            Btw, zum Thema Workaround: die in den USA pervers hohen Gebühren für Kreditkartenzahlungen (wo wir hier mit 0,3% auskommen, genehmigen sich die Banken dort 2-3% Interchange Fees, für die exakt gleiche Dienstleistung also das 5-10fache) kann man auch als einen Workaround für die nicht existente Sicherheit des technisch darunterliegenden Systems betrachten. Der Workaround besteht darin, dass davon teure Heuristik-Systeme entwickelt und betrieben werden, die Zahlungen auf „Auffälligkeiten“ untersuchen und Karten automatisiert sperren. Ferner bezahlt man damit die zahlreichen Rückerstattungen aufgrund des allgegenwärtigen Frauds, „versichert“ also so gesehen ein Risiko, das größtenteils von vorneherein vermeidbar wäre, denn anders als du schreibst ist Chip-and-Pin nun mal faktisch erheblich resistenter gegen Betrug – das heißt, sofern man es korrekt implementiert und nicht so Quatsch macht wie diverse US-Retailer, die „Chip-and-Signature“ implementieren, weil sie ihren Kunden nicht zumuten wollen, sich eine 4stellige Nummer zu merken. Wenn bei derartigem Blödsinn dann ein System rauskommt, das die Nachteile beider Welten (längere Transaktionszeit und nicht existente Sicherheit) verbindet, muss man sich nicht wundern, dass weder Kunden noch Experten auch nur ein gutes Haar an dieser Art der Implementierung lassen.

            Und diese vermeidbaren Gebühren bezahlt natürlich am Ende der Kunde, auch wenn er’s nicht sieht, weil sie in den Preis eingerechnet werden. Ebenso leidet im Wesentlichen der Kunde, wenn ihm mal wieder ne Kreditkarte aufgrund einer Amok laufenden Heuristik ohne ersichtlichen Grund gesperrt wird. Das geht – hab ich mir zumindest von Betroffenen erzählen lassen – ja scheinbar hin bis zu der Unsitte, dass man seiner Bank „größere“ Zahlungen (so im Sinne größer 1000$) vorsichtshalber telefonisch vorher bekannt machen sollte, damit die nicht falsche Schlüsse zieht und die Ausführung im entscheidenden Moment verweigert oder gleich die ganze Karte sperrt. Ich mache das hierzulande nicht mal bei 5stelligen Beträgen – es gibt schlicht keinen Grund dafür, weder für mich, der Bank das vorab zu kommunizieren, noch für die Bank, irgendwas „auf Verdacht“ abzulehnen oder zu sperren. Transaktionale Systeme mit einem akzeptablen inhärenten Grad an Absicherung gegen Mißbrauch sind schlicht im Endergebnis besser als löchriger Schweizer Käse, an den man dann irgendwie „organisatorisch“ – sprich: teuer und ineffizient – Prozesse anflanschen muss, um ihn auf ein irgendwie hinnehmbares Maß an Zuverlässigkeit zu heben.

            Ich glaube, wenn man es unbedingt auf ein Stereotypen-Ding runterbrechen will, kann man sagen: während Deutsche dazu tendieren, Dinge zu over-engineeren (teilweise eben so weit, bis sie praxisuntauglich werden oder schlicht zu spät am Markt ankommen), tendieren Amerikaner dazu, Dinge zu under-engineeren und dann die Löcher später hastig mit Kaugummi zu stopfen, in der Hoffnung, es möge schon irgendwie halten. Tut es oft auch, wie die Praxis zeigt, aber manchmal konstruiert man so eben auch am Ende Flugzeuge, die sich selbst in den Boden steuern.

          • Ich glaube nicht, dass wir hier noch zusammen kommen, in sofern können wir es auch lassen.

            Nur so viel: die Kreditkartengebühren in den USA sind nicht deswegen hoch weil die Betrugsrate so hoch wäre sondern weil die Monopolpreise nehmen. In Europa waren die Gebühren genau so hoch, bis ein Gesetz kam, dass diese deckelte.

            Einen Großteil dieses Geldes bekommen die Kunden auch in Form von Punkten wieder zurück.

          • Manchmal muss eben erst eine gesetzliche Grenze aufzeigen, wie niedrig eine Gebühr für eine Dienstleistung eigentlich sein könnte, wenn man damit mal wirklich nur die realen Kosten decken können soll. Das war der Fall in Europa. Vor dieser Grenze waren die Kreditkartengebühren in der Tat genau so hoch, mit dem Ergebnis, dass einfach fast niemand die Karten akzeptiert hat. Als die Deckelung kam, änderte sich das quasi über Nacht.

            Allerdings war es auch nur deswegen möglich, eine derartig niedrige Deckelung zu erzwingen, weil die realen Kosten noch unter der Deckelung lagen – und das ist eine direkte Folge der breiten Nutzung von EMV gewesen. In den USA wäre es nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich unmöglich, dieselbe Deckelung einzuführen – weil die dort durch Kreditkartenbetrug entstehenden Schäden rund doppelt so hoch wie im globalen Schnitt sind (pro Umsatz gerechnet): https://www.google.de/amp/s/www.forbes.com/sites/rogeraitken/2016/10/26/us-card-fraud-losses-could-exceed-12bn-by-2020/amp/

            Und in diesen Zahlen sind nur die direkten Schäden berücksichtigt, der ganze Overhead für das Schadensmanagement und Fraud Prevention kommt noch dazu. Logischerweise skaliert der mit der Höhe der Schäden. Im Ergebnis kann man wohl davon ausgehen, dass von der höheren Gebühr schon ein gewaltiger Teil in das Handling von Schäden fließen dürfte, wenngleich die Marketingabteilung (-> Punkte) und die Gewinnspanne sicher auch noch was abbekommen.

    • Sehe da ständig Werbung für, hatte es aber total vergessen.

      Hab mir mal die Videos im AppStore angeschaut und Frage mich, warum die keine localisierten AppStore Vorschau Bilder machen: die lokalen Zeitschriften sind ja so ziemlich da wichtigste was man da haben kann, im App Store sind da aber nur irgendwelche britischen (?) Magazine zu sehen.

  3. Vielleicht liegt es daran, dass die Hälfte der Arbeitnehmer über 50 sind, und insgesamt die Bevölkerung eher alt ist denn jung. Und die wollen im Einwohnermeldeamt eben lieber eine Nummer ziehen, vorher ein Foto bei Foto Maier machen und sich von der freundlichen Dame in der Behörde alles erklären lassen. Ich arbeite in der Baubranche im Öffentlichen Dienst, und da läuft ganz viel per Fax. Die Chefs sind überfordert, wenn sie auf einem anderen Laufwerk eine Datei mitbenutzen sollen… Diese Welt gibt es halt auch immer noch.

  4. @Max: Ich finde es immer recht interessant bei Behörden zu sein. In Berlin wird einem erst vor Ort richtig klar, was die Austeritätsmaßnahmen der letzten 20+ Jahre in der Verwaltung angerichtet haben. Ergebnis: ich rege mich nicht mehr auf, habe eine gewisse Hochachtung vor den Beamten/innen und es stellt sich bei mir eine gewisse mediterrane Gelassenheit ein.

    Will sagen: so ein analoger Besuch erdet ungemein. Ich glaube, das tut auch den ganzen „Smombies“ und „Digital Natives“ hin und wieder ganz gut 😉

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